Nein zum Verbot der Ganzkörperverschleierung

Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt der SPD Sachsen

Die AG Migration und Vielfalt der SPD Sachsen begrüßt jede Diskussion über die Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft. Die Emanzipation der Geschlechter ist keinesfalls abgeschlossen und der Diskurs über ihre Fortführung ist wichtig und zeitgemäß. Mit Bezug auf die Debatte über ein Verbot der Vollverschleierung betonen wir in diesem Sinne ausdrücklich, dass wir Niqab und Burka für unüberwindbare Hindernisse an der Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben halten.

Gleichzeitig sprechen wir uns aber aus folgenden Gründen gegen ein Verbot der Ganzkörperverschleierung aus:

1. Die Anzahl der Niqab tragenden Frauen liegt in Deutschland bei maximal 0,005% der Bevölkerung und 0,1% der muslimischen Frauen. Die Anzahl der Burka-Trägerinnen ist unbekannt, liegt aber wahrscheinlich bei null. Im Moment gibt es wichtigere politische Aufgaben als sich mit der Bekleidung einer derart kleinen Minderheit auseinanderzusetzen.

2. Die Debatte um ein Verbot der Ganzkörperverschleierung ist zum Teil eine islamophobe Stellvertreterdiskussion. Sie legitimiert und bestärkt die ohnehin wachsende antiislamische Stimmung.

3. Muslimische Frauen sind zweifellos überdurchschnittlich in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt und leiden zum Teil unter inakzeptablen patriarchalischen Verhältnissen. Dieses Problem wird allerdings durch ein Verbot der Ganzkörperverschleierung nicht gelöst, sondern verschlimmert, da das Niqab aus Sicht der vom Verbot betroffenen Frauen die einzige Möglichkeit ist, am öffentlichen Leben teilzunehmen.

4. Ein Verbot der Ganzkörperverschleierung stellt eine Einschränkung der Freiheit der Religion und der persönlichen Entfaltung dar. Viele Niqabträgerinnen werden nicht von ihren Familien zur Verhüllung gezwungen, sondern verbergen ihre Körper aus religiöser Überzeugung. Dies kann und sollte man kritisieren und ablehnen, doch niemandem wird dadurch Schaden zugefügt.

5. Wir sind der Meinung, dass der weibliche Körper nicht zur Bühne einer legitimen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Islam werden sollte. Der Fokus der momentanen Debatte liegt auf weiblicher Bekleidung – die Reduzierung der Niqabträgerinnen auf die Verhüllung ihrer Körper trägt zur ihrer Objektifizierung bei und steht damit im Kontrast zu den emanzipatorischen Zielen der Sozialdemokratie.

Wir stehen für den Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung, aber nicht durch Zwänge und Verbote, welche nur zur zusätzlichen Entmündigung der betroffenen Frauen beitragen. Die Überwindung der Vollverschleierung sollte durch Überzeugungsarbeit und die Integration des Islams und unsere Gesellschaft erreicht werden.